Drei Tage lang hatte ich mich in einem abgelegenen Guest House, dem Seabreeze in Sihanoukville, einquartiert und die Sonnenstrahlen am „Independence Beach“ gehascht. Ich wollte eigentlich sogar das Weihnachtsfest in Cambodia verbringen. Ich entschied mich aber noch vor Heiligabend die Landesgrenze zu Vietnam zu überqueren. Das Visum habe ich mir für dreißig Euro in Bangkok besorgt. Bei Antragstellung musste ich einen genauen Reisezeitraum angeben. Die Tante vom Touristenbüro auf der Khao San Road riet mir nicht zu viel Zeit für Kambodscha einzuplanen, da es schnell langweilig würde und ich dann nur unnötig fest säße. Sie hat ja keine Ahnung. Kambodscha ist – besonders im Süden – großartig und man benötigt deutlich mehr als zwei Wochen. Wie dem auch sei, ich hatte nur zehn Tage eingeplant und den Start meines Vietnam-Visums auf den 22.12. gelegt.
Am 22.12. machte ich mich also mit einem Minibus – früh um acht Uhr – auf den Weg Richtung Grenze. Die Fahrt nach Kempot verging rasend schnell. Bis zur Grenze waren es aber immer noch etwa fünfzig Kilometer. Die nächste Etappe bis ins zwanzig Kilometer entfernte Kep musste ich mit einem Tuk-Tuk zurücklegen. Es gab keine andere Möglichkeit. Ich versuchte mit dem einzigen Fahrer der noch übrig war, einen angemessenen Preis auszuhandeln. Völlig aussichtslos. Dies war auch der Zeitpunkt, an dem mich der unbekannte Australier ansprach. Er wollte ebenfalls über die Grenze und so teilten wir uns – zusammen mit einem Amerikaner – das Gefährt bis nach Kep. Die beiden unterhielten sich eine Weile bis irgendwann nur noch das dumpfe Brummen des Fahrzeugs zu hören war. Ich mochte den Australier nicht so recht. Es gibt Menschen, mit denen man nur ein paar Worte wechselt brauch und sofort weiß, dass man irgendwie nicht so richtig mit ihnen kann. Der Australier war für mich so ein Mensch. Der Amerikaner ließ sich ein paar Kilometer vor dem eigentlichen Ziel absetzen. Jetzt saß ich mit Mr. Noname allein im Tuk-Tuk und wir fuhren gemeinsam bis zur Endstation. Es gab nur ein Hotel, die Zimmer waren teuer und so ließ ich mich darauf ein, mit ihm ein Zimmer zu teilen.
Der Australier war, wie ich beim Eintrag in das Hotelbuch sah, Baujahr vierundsechzig – also vierundvierzig Jahre alt. Er hatte schüttes, dunkelblondes Haar, war etwa 1,80 m groß und trug ein Western-Halstuch. Mr. Noname reiste mit einem kleinen, schwarzen Trolly und einem ebenso kleinen, roten Rucksack. Sein Guidebook war mit asiatischen Drachen beklebt und sein rotes Klapphandy gab drollige Piepsgeräusche von sich. Er redete mit mir, sah mich aber nicht an. Er regte sich ständig auf: Hier kein warmes Wasser, da zu viele Moskitos. Zimmer zu teuer, Zimmer zu dunkel. Essen schmeckt nicht. Blöde Inseln. Da wo er herkäme wäre es viel schöner. Ich erfuhr nicht all zu viel über ihn, denn er gab nichts weiter von sich preis.
Vierundvierzig. Meine Glückszahl. Meine Bestimmung? Vielleicht eine Herausforderung der ich mich jetzt stellen musste? Ich weiß es nicht. Naja, ich kann also nicht sagen, wieso ich mich mit Mr. N. eingelassen habe. Jedenfalls wollten wir am nächsten Tag gemeinsam über die Grenze. Am darauffolgenden Morgen stiegen wir jeweils auf ein Moped und los ging die einstündige Fahrt über Stock und Stein und roten Sand bis wir an der Grenze waren. Als wir dort ankamen, war ich voll und ganz mit diesem roten Sand bedeckt. Der Grenzübertritt verlief problemlos. Das erste was ich übrigens auf vietnamesischem Boden sah, war ein Volleyballfeld. Gute Aussichten also.
In Vietnam angekommen, waren es nur noch ein paar Kilometer bis zur Fähre, die uns nach Phu Quoc Island bringen sollte. Ich wollte hier endlich mal ein paar Tage faul in der Sonne liegen. Mr. Noname hatte die gleiche Idee und war mit von der Partie. Nach drei Stunden erreichten wir die riesige, vietnamesische Insel im Süden des Landes. Fast alles war schön. Mr. Noname schloss sich mir an. Wir ließen uns wieder mit zwei Motobikes an den „Long Beach“ kutschieren und machten uns auf die Suche nach einer geeigneten Unterkunft. Der Australier fragte, ob wir nicht wieder zusammenlegen wollen, um Geld zu sparen. Und wieder ließ ich mich also darauf ein mit ihm ein Zimmer zu teilen.
Zwanzig Dollar für ein klimatisiertes Zimmer mit heißem Wasser und TV war zu zweit akzeptabel. Den Nachmittag und den Abend verbrachten wir, wie schon am Tag zuvor, getrennt voneinander. Ich war am Strand, habe danach etwas gegessen und mich anschließend nach einer anderen Unterkunft umgesehen. Ich wollte auf keinen Fall das Weihnachtsfest mit ihm verbringen. Ich musste was finden und das gelang mir auch. Als Mr. N. am Abend dann noch ein paar schlechte Witze über die osteuropäischen Urlauber im angrenzenden Hotel machte, wusste ich, dass meine Entscheidung richtig war. Ich eröffnete ihm, dass ich am nächsten Tag umziehen würde. Er brabbelte etwas davon, dass er jetzt wegen mir mehr zahlen müsse und dass er das total doof fände. Dann schlief er ein.
Weihnachten war gerettet. Ich mietete mir für zehn Dollar eine Yamaha und brachte meine Klamotten in das kleine Tropicana Beach Resort. Dort angekommen bezog ich einen Strandbungalow und machte mich nach einer Dusche daran die Insel zu erkunden. Die Nebenstraßen auf Phu Quoc Island bestehen hauptsächlich aus rotem Sand und sind derart schlecht, dass selbst die Fahrt mit einem Moped zur Qual wird. Die Insel ist riesig und die Strände wunderschön. Man benötigt für die Erkundung per Zweirad aber jede Menge Zeit und muss nach einem Tagestrip seine Klamotten waschen.
Den Heiligen Abend verbrachte ich zum großen Teil in einer Garküche auf der Straße. Ich wartete ziemlich lange auf mein Essen. Aber das war mir egal. Es gab Tintenfisch vom Grill, Frühlingsrollen und vietnamesische Nudeln mit allerlei Gemüse und Meeresfrüchten. Gegen zweiundzwanzig Uhr fiel ich pappsatt in mein Bett und wachte erst am nächsten Morgen wieder auf.